Samstag, 1. März 2008

Mediziner-Beichte wird zum Bestseller

So tituliert heute die Neue Westfälische den "Beinahe-Ausverkauf" der Borschüre über Fehler im öffentlichen Gesundheitswesen.
Peter Artmann hat in seinem Blog bereits darüber berichtet:
http://www.scienceblogs.de/medlog/2008/02/danke-an-docs-die-fehler-machen.php

Manche Beispiele sind absolut simpel:
  • Amputation der falschen Gliedmaßen - Schlußfolgerung: Markierung der richtigen Seite beim noch wachen Patienten
  • Riskante Herz-OP: Arzt überredet zur OP - Patientin stirbt - Schlußfolgerung: Patient soll sich OP vorher reiflich überlegen und der Arzt sollte seine Empfehlung dem Patienten nicht zu sehr "aufdrücken"
  • Vergessene Klammer im Bauchraum - Schlußfolgerung: OP-Personal muss alle Instrumente nach Abschluß der OP unbedingt nachzählen
  • Herzschrittmacher mit falscher Elektrodenverbindung wg. Irrtums über die Bedeutung der "Buchstaben" am Gerät - Schlußfolgerung: Vorher nachsehen, wie das Gerät verkabelt wird

Der Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe Dr. Theodor Windhorst empfiehlt seinen Kollegen eine "Fehlerkultur":
Der rationale und systematische Umgang mit Fehlern soll zukünftig zu Lerneffekten führen. Nicht Fehler verschweigen, sondern analysieren.
Von Kunstfehlern traumatisierte Patienten sollten Ärzte zukünftig nicht von "oben herab" behandeln, sondern mit Einfühlungsvermögen und Verständnis ihre Ängste ernst nehmen,

So sagt er: "Da müssen wir Ärzte raus aus dem Gewölbe des Himmels. Das halbgöttliche Sich-Abschotten vom Patienten ist falsch. Wenn die Dinge schiefgelaufen sind, sind wir zu einem einfühlsamen Umgang mit dem armen Menschen, dem wir ein Leid angetan haben, verpflichtet, egal was der Haftpflichtversicherer sagt."

Dazu gehö
ren dann allerdings drei Dinge:
  • 1. Selbstkritischer Umgang mit dem eigenen Handeln und Sprechen.
  • 2. Den Patienten als "Menschen" wahrnehmen und nicht als ein "Behandlungsobjekt", denn nach wie vor ist es in Kliniken an der Tagesordnung, dass eine Therapie nicht mit dem Patienten besprochen wird, sondern es wird schlicht angeordnet. Folge: Kaum ein Patient weiß, welche Medikamente er im Krankenhaus verabreicht bekommt. Man muss umständlich nachfragen. Und es wird fleißig "experimentiert". Hinterfragt der Patient angeordnete Untersuchungen, will er wissen, ob diese überhaupt notwendig sind, bekommt so mancher die rote Karte gezeigt: entweder wird er links liegen gelassen oder ihm wird vorgeworfen, dass er uneinsichtig sei und "therapeutisch" nicht richtig mitarbeite.
  • 3. Ärzte und Personl brauchen mehr Zeit für ihre Patienten. Das unter 2. genannte Problem wird natürlich auch dadurch verursacht, dass Ärzte und Pflegepersonal mehr mit den überdimensionierten bürokratischen Auflagen beschäftigt sind, so dass nur noch die absolut notwendigen "Versorgungsstrukturen" am Leben erhalten werden können.
Insofern wird der von Dr. Windhorst geäußerte Wunsch wohl eher ein solcher bleiben - denn Verständnis und Einfühlung braucht auch Zeit - welche de facto so nicht mehr bzw. immer weniger zur Verfügung steht. D.h. es braucht viel mehr, als nur Fehler einzugestehen. Wann beschwert sich eine Krankenhausbelegschaft geschlossen über die tatsächlichen Missstände, über fehlerinduzierende Doppel- und Mehrfachschichten, über medikamentenabhängiges Personal? Hier wird lieber weggeschaut und die eigenen Patienten werden sehenden Auges diesen Gefahren ausgesetzt. Wann werden überarbeitete und fehlerproduzierende Mitarbeiter vom Dienst frei gestellt und entsprechend der gesetzlich verordneten Verantwortung des Arbeitgebers angemessen betreut?

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ein Weiser lernt aus Fehlern Anderer, ein Kluger aus seinen eigenen Fehlern. Nur der Narr leugnet Fehler.
Jeder Fehler ist die Chance einer Verbesserung. Ich habe schon vor vielen Jahren eine Methode entwickelt wie man Verwechslungen aufspürt und nachweist. Was wir brauchen ist ein System, dass Patienten eindeutig identifiziert. Ich könnte mir ein Gummiband am Handgelenk vorstellen, in der Art wie es Säuglinge bekommen.
dp