Montag, 25. August 2008

G-BA trickst bei Festbeträgen für patentgeschützte Arzneimittel

Bildquelle Pixelio: (c) Gerd Altmann
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) ist zuständig für die Festlegung von Festbeträgen für Medikamente. Siehe dazu auch den Beitrag: Patienten leiden unter hohen Eigenbeteiligungen dank Festbetragsregelung

Für die Behandlung, insbesondere von Asthmakranken (mit hohem Allergikeranteil) wurden die Kortisonsprays (inhalative Kortikoide = ICS) seit diesem Jahr in die Festbetragsregelung aufgenommen. Dabei handelt es sich um "chemisch verwandte", jedoch nicht um chemisch identische Wirkstoffe. Die nicht mehr patentgeschützen Wirkstoffe Budenosid und Beclomethason wurden als Basis für die Festlegung des Festbetrages genommen. Budenosid ist je nach Hersteller daher sogar zuzahlungsbefreit. (wir erwarten, dass dies, wie bei allen Festbetragsmedikamenten nach gewisser Zeit wieder geändert wird.....)

Die "neueren" und patentgeschützten Wirkstoffe Fluticasonpropionat, Mometasonfuroat, Ciclesonid wurden trotz Patentschutz in die Festbetragsordnung aufgenommen! Die G-BA-Begründung dafür ist haarsträubend: es handele sich "nur" um einen sehr geringen Zusatznutzen.....

Obwohl im Sozialgesetzbuch festgelegt ist, dass:
Es dürfen keine patentgeschützten Wirkstoffe einbezogen werden, die eine therapeutische Verbesserung oder z.B. verringerte Nebenwirkungen bedeuten (§ 35, Abs.1a) (Zitat aus Wikipedia: Festbetrag)

wurden die noch patentgeschützten Wirkstoffe "Fluticasonpropionat, Mometasonfuroat, Ciclesonid" in die Festbetragsregelung aufgenommen:

Der "Trick" hier ist, dass die - wissenschaftlich belegten!!! - geringeren Nebenwirkungen jener neueren Kortisonsprays (Markennamen: Flutide,Asmanex und Alvesco) vom G-BA wider besseren Wissens verneint werden und somit besonders empfindliche Patienten gezwungen sind, eine Verringerung ihrer Lebensqualität und oft eine Verschlechterung ihres Gesamtgesundheitszustandes in Kauf zu nehmen. (oftmals verbunden mit den um ein Vielfaches teureren Klinikaufenthalte (ca. 270-300 Euro/Tag, so dass Einspareffekte sich ins Gegenteil verkehren)

Insbesondere die nachgewiesene geringere "Bioverfügbarkeit" der neueren Kortisonspraygeneration wird vom G-BA als nicht relevant herunter gespielt. Dabei ist gerade dieser Punkt für viele der Betroffenen von großer Bedeutung;
Denn wenn im Mund durch die höhere "Bioverfügbarkeit" der alten ICS (Budenosid, Beclomethason Kortisonsprays) eine immunsuppressive Wirkung (= verringerte Krankheitsabwehr) zustande kommt, dann ist ja mit vermehrten Infekten (Hals-, Kehlkopf-, Luftröhrenentzündungen etc.) zu rechnen.

Gerade bei Asthmatikern kommt es oft bei solchen Infekten dann auch zum sog. "Etagenwechsel", d.h. die erhöhte Infektionsgefahr trifft auch wieder die Bronchien und Lunge, verbunden mit der Gefahr, dass der Gesamtzustand durch Infekte stärker beeinträchtigt wird. Die bekannten Folgen sind dann gehäufte Asthmaanfälle, Notfallbehandlungen, Notfalleinweisungen bis hin zu Lungenentzündungen . Der G-BA verweist in diesem Zusammenhang auf die von Wissenschaftlern (= Klinische Chemiker) widerlegte Möglichkeit, man könne diese Nebenwirkungen durch "Mundspülungen" verhindern. Diese Möglichkeit besteht laut wissenschaftlichen Studien jedoch nicht.....

Ausgerechnet mit "Asthmatikern" geht hier der G-BA und die dort mit entscheidenen sachunkundigen Nicht-Fachärzte recht sorglos um, obwohl Asthmatiker unter Umständen gesundheitlich schwer geschädigt werden können, bis hin zum "Status asthmaticus" und zum immer noch relativ häufig anzutreffenden Asthmatod (siehe: Tod im Stundentakt In Westeuropa stirbt jede Stunde ein Patient an Asthma.).......
Wie wichtig gerade das Kortisonspray zur Vermeidung des Asthmatodes ist, hier: Asthmatod)

Interessanterweise wurden die zuständigen Fachärzte (= Lungenfachärzte, Pulmologen, Ärzte für Bronchialheilkunde und Allergologen....) bei der Festbetragsregelung der ausschließlich für Lungenkranke notwendigen Medikamente nicht in die Entscheidung einbezogen. Die Entscheidung wurde gefasst von Juristen, Krankenkassenvertretern und Nicht-Fachärzten. COPD- und Asthma-Patientenverbände waren dazu ebenfalls nicht gehört worden. (Obwohl laut Gesetz, angeblich Patienten ein Mitspracherecht in der Gesundheitspolitik eingeräumt werden soll!)

Insbesondere wurden keine wissenschaftlichen Stellungnahmen jener eingeholt, welche für die sog. Pharmakovigilanz (=Wirkungen und Nebenwirkungspotentiale eines Medikamentes) zuständig sind.Dies sind Absolventen eines Pharmaziestudiums, Biochemiker und Klinische Chemiker. Ärzte haben während ihrer Ausbildungszeit das Fach" Pharmazeutische bzw. klinische Chemie "zu absolvieren, (was von vielen als lästig betrachtet wird). Diese Ausbildung reicht jedoch kaum aus, Wirkungen und Nebenwirkungen von Medikamenten für eine "gesetzgeberische Arzneimittelfestlegung" ausreichend zu beurteilen. Hinzu kommt, dass in jedem ärztlichen Fachgebiet spezielle Wirkstoffgruppen, bzw. Wirkstoffverbindungen vorherrschen. Sofern Mediziner überhaupt über "Spezialwissen" zur Pharmakovigilanz besitzen,beschränkt sich dieses Wissen in der Regel "nur" auf ihr medizinisches Arbeitsgebiet.

FAZIT:
Klinische Chemiker konnten in wissenschaftlichen Studien belegen, dass die "neueren" Kortisonsprays deutlich weniger Nebenwirkungen aufweisen und zusätzlich den Vorteil besitzen, dass diese auch mit geringeren Wirkstoffmengen auskommen.
Der G-BA bricht das per Gesetz ausgesprochene Verbot, patentgeschützte Wirkstoffe, welche weniger Nebenwirkungen verursachen, nicht in die Festbetragsregelung aufzunehmen. Diese Entscheidung mit "gesetzgeberischer" Wirkung trifft insbesondere solche Patienten, welche die "alten" Kortisonsprays nicht vertragen, darauf allergisch reagieren und durch die Schwere ihrer Erkrankung in der Gefahr stehen, dass Infekte ihre Lebensqualität zusätzlich beeinträchtigen. Und natürlich sind besonderes jene schwer getroffen, welche im Falle der Unverträglichkeit der Festbetragskortisonsprays auf ein Spray der neueren Generation angewiesen sind. Jene wird man wohl vermehrt in der Notfallambulanz von Kliniken antreffen.......

Wer von dieser Festbetragsregelung zu seinem Nachteil betroffen ist, kann sich bei mir unter der Emailadresse:

patienten@yahoo.de

melden. Wir planen eine Patienteninitiative bezüglich der Festbetragsregelung "Kortisonsprays" ins Leben zu rufen. Je mehr Betroffene sich melden, um so besser!

6 Kommentare:

Martin hat gesagt…

Pauschal alle neueren ICS zusammenzuwerfen ist - und die Pharmakovigialnz zu loben passt nicht zusammen: Ist doch gerade Fluticason wohl bezüglich der Nebenwirkungen bei Kindern deutlich ungünstiger: http://www.arzneitelegramm.de/html/2002_12/0212129_03.html

Monika Armand hat gesagt…

"Pauschal alle neueren ICS zusammenzuwerfen ist - und die Pharmakovigialnz zu loben passt nicht zusammen"

Vielen Dank für Ihren Hinweis.Sie haben Recht. Die Behauptung, dass die Nebenwirkungen geringer - und nur darum ging es im Beitrag - bei den neueren ICS seien, gilt laut mehreren Studien der pharmakologischen Chemiker als gesichert.

Wie auch der Beitrag im Arzneitelegramm zeigt, muss dann aber noch einmal zwischen den "neueren" ICS unterschieden werden. Denn auch diese entwickeln verschiedene Nebenwirkungen. Hinzu kommt, dass auch die neueren ICS individuell unterschiedlich verstoffwechselt werden können und daher Betroffene das für sie optimal wirkende ICS austesten können sollten. Genau dies verhindern die Festbetragsregelungen. Fluticason schneidet laut Studien bzgl. der Bioverfügbarkeit tatsächlich auch im "Durchschnitt", d.h. im Vergleich mit Ciclesonid und Mometasonfuroat schlechter ab.

Ich persönlich habe z.B. Fluticason auch schlecht vertragen ;-)Andere vertragen Ciclesonid schlecht und kommen mit Mometasonfuroat besser weg.

Hintergrund: Studien zeigen immer nur "Durchschnittswerte". Individuelle Reaktionen und unterschiedliche Verstoffwechselungen können Studien nicht darstellen. Das ist letztendlich das Problem der "evidenzbasierten Medizin": individuelle biochemische Reaktionen werden "gemittelt" und damit relativiert....

Martin hat gesagt…

PS: die "pharmakologischen Chemiker" sind mir unbekannt. Klinische Studien werden von Pharmakologen (Ausbildung Arzt) durchgeführt, Entwicklung von Pharmazeuten (Ausbildung Apotheker), Chemikern und Biologen.
Das Problem der Festbeträge sind die Preisvorstellungen der Hersteller! Unser Gesundheitssystem ist nicht finanzierbar, wenn es keine Preisgrenzen gibt. Da bringt die Diskussion über Individuen nichts - und ausserdem sind in Studien auch lauter Individuen.

Monika Armand hat gesagt…

Ihre Feststellung:
"Das Problem der Festbeträge sind die Preisvorstellungen der Hersteller!"
vereinfacht die Situation.

Neben klinischen Medikamentenstudien sind Chemiker mit dem Schwerpunkt "Pharmazie" spezialisiert auf die Untersuchung der biochemischen Wirkungen der Medikamente. Bezüglich der ICS ist Frau Prof. Dr. Högger zum Beispiel "die Fachexpertin". Sie hat zu diesem Thema habilitiert und forscht immer noch daran.

Die Argumentation der G-BA übersieht gerade die biochemischen Wirkungen der "alten" und "neuen" ICS. Ich vermute, gerade weil hier die Forschungen aus der Biochemie ignoriert werden und weil schlicht davon ausgegangen wird, dass chemisch verwandte Stoffe auch verwandte Reaktionen auslösen. Der Teufel steckt allerdings im Detail. Und solche Details untersuchen hauptsächlich Chemiker. Die chemische Ausbildung von Ärzten ist für diesen Zweck oft unzureichend.

Siehe: Neu in der Pharmazeutischen Chemie: Petra Högger

Martin hat gesagt…

Grundlagenforschung ist notwenig, kann aber nicht die Erforschung des KLINISCHEN Nutzens ersetzen. Es gibt genug Beispiel, wo der Schluss von Theorie auf klinischen Nutzen ordentlich schief gegangen ist (zB CAST-Studie). Der G-BA tut also gut daran, theoretische Überlegungen zu ignorieren und sich im Interesse der Patienten auf nachgewiesenen klinischen Nutzen zu stützen.

Im übrigen ist Prof. Högger Pharmazeutin und keine Chemikerin.

Monika Armand hat gesagt…

"Grundlagenforschung ist notwenig, kann aber nicht die Erforschung des KLINISCHEN Nutzens ersetzen. Es gibt genug Beispiel, wo der Schluss von Theorie auf klinischen Nutzen ordentlich schief gegangen ist (zB CAST-Studie).

stimme Ihnen zu....

Der G-BA tut also gut daran, theoretische Überlegungen zu ignorieren und sich im Interesse der Patienten auf nachgewiesenen klinischen Nutzen zu stützen.

Stimme Ihnen nicht zu ;-)
Das ist eine alltagstheoretische, jedoch keine wissenschaftliche Begründung.Mit dieser Feststellung fordern Sie ja geradezu zu einer wissenschaftlich verkürzten Sichtweise auf.
Denn in der biochemischen Forschung geht es ja nicht um theretische Überlegungen, sondern um die wissenschaftliche Untersuchung der biochemischen Reaktionen.

Natürlich kann dies klinische Studien nicht ersetzen, sondern diese Erkenntnisse müssen - was leider viel zu selten geschieht - in die klinischen Forschungen und Ergebnisse mit einbezogen werden.

Und man darf nicht vergessen , dass klinische Studien immer nur "Durchschnittswerte" zeigen, d.h. alle Ergebnisse werden gemittelt.Klinische Studien werden nicht an multimorbiden Kranken durchgeführt etc. etc., so dass klinische Studien auch nicht dazu führen, dass hier abschließende Feststellungen zu Wirkungen/Nebenwirkungen von Medikamenten gemacht werden können. Die AKdÄ berichtet ja ständig über Medikamente, welche nach einiger Zeit in der praktischen Anwendung - aufgrund ihrer Wirkungen/Nebenwirkungen sogar vom Markt genommen werden müssen....

Ich möchte aber gerne Ihren Hinweis auf klinische Studien aufgreifen, denn die klinischen Studien haben ja durchaus bestätigen können, dass die neueren ICS weniger Nebenwirkungen aufweisen. Der G-BA hat diese Nebenwirkungen schlicht negiert bzw. für irrelevant gehalten, so dass auch der große Durchschnitt die "minderwertigeren" Medikamente - dank Festbetragsregelung und Kostendämpfungsgründen - verordnet bekommt....

Hinzu kommt, dass der G-BA auch keine Ausnahmen kennt. So sind es ca. 1000 Patienten welche die alten ICS nicht vertragen (allergische Reaktionen,starke Nebenwirkungen). Wer sich mit den ICS eingehender beschäftigt, kennt - aus den klinischen Studien - auch die unterschiedlichen Nebenwirkungsprofile. Mediziner gehen gerne davon aus, dass ihre Patienten nicht unter die "1 von 1000 Patienten" oder "sehr selten Patienten" fallen....d.h. eben nicht zum Durchschnitt gehören.Man muss nur mal überlegen, dass alleine bei 100.000 Patienten immerhin 100 Patienten Probleme haben....

Hier sind wir mitten drin in der Problematik der empirischen Forschung und ihrer Grenzen. Leider werden in den meisten Studiengängen diese nur unzureichend in speziellen Fachseminaren behandelt, so dass gerade jüngere Menschen oder "Kochbuchstudiengänge" wie die Medizin, solche wissenschaftstheoretischen Überlegungen gerne ausblenden.

Im Übrigen findet der, welcher die theoretischen Vorüberlegungen des IQWiG eingehend studiert, die Probleme immerhin im Ansatz dort besprochen.

zur Erläuterung:
Quelle: Pharmazeutische Chemie Link: Was ist pharmazeutische Chemie?

"Die Pharmazeutische Chemie befasst sich mit allen chemischen Aspekten der Arzneistoffe. Es beginnt mit der Arzneistoffentwicklung, d.h. mit der Suche nach neuen Zielstrukturen für neuartige Arzneistoffe und nach neuen Leitstrukturen. Bei der Optimierung dieser Leitverbindungen wird sich sowohl computergestützter Methoden wie QSAR und Molecular Modelling als auch moderner organischer Chemie bedient. Eine weitere Herausforderung stellt die Optimierung von Synthesen bereits bekannter Arzneistoffe für industrielle Zwecke dar. Dieser Teil der Pharmazeutischen Chemie wird in angelsächsischen Ländern unter dem Begriff Medizinische Chemie subsummiert.

Das zweite wichtige Standbein der Pharmazeutischen Chemie ist die Analytik. Hier gilt es einerseits die Qualität eines Arzneistoffes mit klassischen nasschemischen Methoden und modernen Techniken wie z.B. der HPLC, Kapillarelektrophorese, NMR- und Massenspektrometrie zu sichern. Andererseits werden Arzneistoffe und deren Metaboliten in biologischen Proben identifiziert und quantifiziert, so dass das Pharmakokinetikprofil eines Arzneistoffes erstellt werden kann. Hier finden auch biochemische Methoden ihren Einsatz. In den letzten Jahren rücken zusätzlich klinische Aspekte, die auch therapeutisches Drug Monitoring beinhalten, immer mehr in den Mittelpunkt des wissenschaftlichen Interesses. Damit wird neben der Arzneistoffentwicklung eine weitere Brücke zur Pharmakologie gebaut.

Obgleich der Würzburger Lehrstuhl für Pharmazeutische Chemie personell eher zu den kleineren Einheiten in Deutschland gehört, werden viele der oben genannten Felder der Pharmazeutischen Chemie bearbeitet.


Im übrigen ist Prof. Högger Pharmazeutin und keine Chemikerin.
Frau Prof. Dr. Högger ist pharmazeutische Chemikerin, d.h. eine Chemikerin, welche sich auf die Klinische Chemie /Pharmazie spezialisiert hat.

Zu den Aufteilungen in der Pharmazie finden sich bei Wikipedia nützliche Informationen:
Pharmazie