Dienstag, 22. März 2011

Alzheimer - mal nicht als 'Schreckgespenst'

Arno Geiger: Der alte König in seinem Exil
Hanser Verlag 2011, 192 S., Fester Einband, ISBN 978-3-446-23634-9, 17,90 €
Arno Geiger hat ein tief berührendes Buch über seinen Vater geschrieben, der trotz seiner Alzheimerkrankheit mit Vitalität, Witz und Klugheit beeindruckt. Die Krankheit löst langsam seine Erinnerung und seine Orientierung in der Gegenwart auf, lässt sein Leben abhandenkommen. Arno Geiger erzählt, wie er nochmals Freundschaft mit seinem Vater schließt und ihn viele Jahre begleitet. In nur scheinbar sinnlosen und oft so wunderbar poetischen Sätzen entdeckt er, dass es auch im Alter in der Person des Vaters noch alles gibt: Charme, Witz, Selbstbewusstsein und Würde. Arno Geigers Buch ist lebendig, oft komisch. In seiner tief berührenden Geschichte erzählt er von einem Leben, das es immer noch zutiefst wert ist, gelebt zu werden.
 
" ... Wir brachen jetzt alle zu einem anderen Leben auf, und sosehr dieses andere Leben meine Geschwister und mich verunsicherte, fassten wir doch eine gewisse Anteilnahme und ein wachsendes Interesse für das Schicksal, mit dem der Vater geschlagen war. Nachdem ich jahrelang auf nichts mehr  neugierig  gewesen  war,  was  er  zwischen  Patiencenlegen und Fernsehen getrieben hatte, packte mich das neue Interesse auch deshalb, weil ich spürte, dass ich dabei war, etwas über mich selbst zu erfahren – es war lediglich noch unklar, was.

Der tägliche Umgang mit dem Vater ließ mich nicht mehr nur erschöpft zurück, sondern immer öfter in einem Zustand  der  Inspiriertheit.  Die  psychische  Belastung  war weiterhin enorm, aber ich stellte eine Änderung meiner Gefühle  dem  Vater  gegenüber  fest.  Seine  Persönlichkeit erschien mir wiederhergestellt, es war, als sei er der Alte, nur ein wenig gewandelt. Und auch ich selber veränderte mich. Die Krankheit machte etwas mit uns allen ... "
 

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