Samstag, 10. Oktober 2009

Doping des Geistes

Jörg Auf dem Hövel
Pillen für den besseren Menschen - Wie Psychopharmaka, Drogen und Biotechnologie den Menschen der Zukunft formen (Telepolis)
dpunkt Verlag 2008, 180 S., brosch., ISBN 978-3-936931-44-0, 18,00 Euro (D), 18,60 Euro (A), 32 sFr
Der Mensch der nahen Zukunft wird durch zwei wissenschaftliche Entwicklungen verändert werden: Das Doping des Geistes und die Biotechnologie. 2003 geriet der Pharma-Konzern Eli Lilly unter Druck, weil er Gratisproben des Antidepressivums Prozac per Post an Privathaushalte versandt hatte. 2004 gab das britische Verteidigungsministerium zu, über 24.000 Tabletten mit dem Wirkstoff Modafinil eingekauft zu haben. Modafinil hält nicht nur wach, die Substanz gilt als >>cognitive enhancer<<, soll also die Kapazität des Gehirns steigern. Die Frage ist: Was leistet die Wissenschaft im Bereich des Gehirndopings? Die Vergabe des amphetaminähnlichen Ritalin an Kinder, denen das Aufmerksamkeitsstörungs-Syndrom attestiert wird, zeigt die Schwierigkeiten, mit Wirkung, Nebenwirkung und sozialer Gesamtwirkung eines Medikaments umzugehen. Am anderen Ende der Alterslinie steht der geistige Abbau, der ebenfalls mit Neuro-Enhancement gestoppt werden soll. Die Phänomene der hyperkognitiven Kultur sind auch immer ökonomische. Die Marktwirtschaft wird zuküntig noch mehr Produkte liefern, die Hirn- und Körpervorgänge modifizieren. Hier muss eine Bestandsaufnahme ansetzen: Was leisten Medikamente schon jetzt, woran arbeitet die Industrie für die Zukunft und was bedeutet das für die Gesellschaft? Zielgruppe: * Gesellschaftspolitisch Interessierte; * Medikamentennutzer - Inhaltsverzeichnis (pdf) - Kapitel 6 (pdf) - Kapitel 7 (pdf)

Heise-Medien (Auszug): " ... Der aktuelle Telepolis-Band zeigt die neuronalen Grundlagen des Gedächtnisses sowie die Potenziale der pharmazeutischen Beeinflussung auf und analysiert die individuellen sowie sozialen Folgen des Psychopharmaka-Gebrauchs. Dabei werden insbesondere die sogenannten "cognitive enhancer", eine vermeintlich neue Klasse von Arzneimitteln, die als "Doping für den Geist" diskutiert werden, einer kritisch-praktischen Betrachtung unterzogen ... " - Weiterlesen auf Heise-Medien

Monika Armand in ihrem "AHMAZ-Alles hängt mit allem zusammen"-Blog: Neuro-Enhancement: die Gefahr kommt inkognito
Ein Geheimagent der Better-living-thru-chemistry reist ein: In seinem Koffer trägt er für jede Gelegenheit die passenden Reisepässe: "Donepezil, Dihydroergotoxin, Ergoloid, Tryptophan,Clonidin,Fluoxetin u.v.m." Er kann sie modifizieren, so wie er es braucht und er verspricht: "Ich bringe euch das große Glück". Leider steht in den kleingedruckten AGB's: "Die Kosten und Folgen trägt jeder selbst" ...
Im Memorandum von sieben führenden Experten ( PDF-Datei) werden die AGB's des Geheimagenten kurz gestreift ...
Dabei finden sich wichtige Aspekte für die Diskussion um das Neuro-Enhancement nur ansatzweise im Memorandum auf Seite 3:
1. Die Widernatürlichkeit des Neuro-Enhancements
2. Der Eingriff in die Neurobiologie des Gehirns
Obwohl gerade Punkt 2: "Eingriff in die Neurobiologie des Gehirns" zahlreiche Fragen aufwirft, wie z.B. bekannte Nebenwirkungen, unbekannte oder individuelle Nebenwirkungen, Langzeitnebenwirkungen, mögliche dauerhafte Veränderungen der Neurobiologie des Gehirns, Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten etc., behandeln die Autoren diesen zentralen Aspekt nebenbei und mit einer beunruhigend anmutenden Sorglosigkeit: "Ein anderer Standardeinwand gegen Neuro-Enhancement zielt auf die neurobiologische Eingriffsebene von NE, die gegenüber der Ebene kommunikativer Einwirkungen (etwa Coaching) als minderwertig verstanden wird: Pillen für neuronale Stoffwechselprozesse - Gespräche und Argumente für den Geist. Aber die funktional-dualistische Prämisse dieser Auffassung ist heute nicht mehr tragfähig." (G&G 11/2009 - Zitat Seite 3)
Die Tatsache, dass neben Philosophen und Juristen auch Mediziner das Wort ergriffen haben und nur marginal die Frage nach etwaigen Gefahren des Neuro-Enhancements erwähnen, kommt nicht von ungefähr. Die Pharmakologie, die Pharmakodynamik (= Lehre über die Wirkung von Arzneistoffen im Organismus) und die Pharmakokinetik (Die Pharmakokinetik beschreibt die Gesamtheit aller Prozesse, denen ein Arzneistoff im Körper unterliegt), sowie die Pharmazeutische Chemie (Die pharmazeutische Chemie ist das Spezialgebiet der Pharmazie, das sich mit den chemischen Eigenschaften von Arzneimitteln im weitesten Sinne beschäftigt) sind nur selten ein "Steckenpferd" von Medizinstudenten. Ein Blick in medizinische Foren zeigt, welch Ächzen und Stöhnen durch die Reihen zieht, wenn es im Physikum um Teile aus diesen Fachbereichen geht. Insofern ist es nicht verwunderlich, wenn Medikamentenneben- und - wechselwirkungen auf die leichte Schulter genommen werden ... Weiterlesen im AHMAZ-Blog

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