Mittwoch, 14. Oktober 2009

Gute-Nacht-Geschichten und Gesundheit

Eckhard Schiffer
Wie Gesundheit entsteht - Salutogenese: Schatzsuche statt Fehlerfahndung
Essay, Beltz TB, 180 S., brosch., ISBN 978-3-407-22090-5, EUR 14,90
Über die Krankheit haben die Mediziner weitgehend die Gesundheit vergessen. Und Gesundheit ist etwas anderes als "Nicht-Krankheit". Diese grundsätzliche Kritik am vorherrschenden medizinischen Denken steht am Anfang des neuen Buches von Eckhard Schiffer. Nicht nach Fehlern und Störungen, die zur Krankheit führen, will er suchen, sondern nach schöpferischen Kräften, die seelische und körperliche Gesundheit ermöglichen: Gesundheit als Schatzsuche im Spiel, im Dialog und in der Suche nach Lebenssinn. Dabei stützt sich der Autor zum einen auf das Salutogenese-Konzept des amerikanisch-israelischen Gesundheitsforschers Aaron Antonovsky und dessen Ausführungen zum "Kohärenzgefühl" des Menschen. Zum anderen bezieht er so unterschiedliche Geschichten wie "Tausendundeine Nacht", "Pu der Bär" und "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" in sein Erklärungskonzept ein und ebenso die Biografien von Künstlern und Schriftstellern wie Joan Miró, Jean-Jacques Rousseau oder Albert Camus.
"Alles das, was in der 'schönen' Literatur schon lange bekannt ist, soll anhand neuer Modelle zur Gesundheit bzw. Gesundheitsförderung weiter verdeutlicht werden. Seit geraumer Zeit richtet sich nämlich das Interesse nicht mehr nur auf die Entstehung von Krankheit (Pathogenese), sondern auch auf die Entstehung von Gesundheit (Salutogenese)." Oder anders formuliert: "Was haben eigentlich 'Gute Nacht-Geschichten' mit Gesundheit, und 'die Unfähigkeit zum Dialog' mit Krankheit zu tun?" Eckhard Schiffer.
Leseprobe (Auszug): " ... Vorab eine kleine Quizfrage: Was ist das Gemeinsame an den Geschichten aus »Tausendundeine Nacht«, »Pu der Bär« und »Auf der Suche nach der verlorenen Zeit«?
Weltliteratur, immer noch Bestseller und – richtig: Bei allen Dreien geht es um das Erzählen von Geschichten, Gutenachtgeschichten, wenn man so will. Dramatisch in »Tausendundeine Nacht«, spielerisch-abenteuerlich bei »Pu der Bär« und psychologisch eindrucksvoll über die ersten siebzig Seiten in der »Suche nach der verlorenen Zeit«.
Bei der »Suche« wie in »Tausendundeine Nacht« werden über das Erzählen von Geschichten dialogisch die gefährdete Identität und das fast zerstörte Vertrauen in Bindungen wieder stabilisiert. Hingegen wird bei »Pu« aus einer schon bestehenden guten Bindungserfahrung heraus die Welt mit ihren Gefahren – einschließlich Flutkatastrophe – spielerisch-fantasievoll gemeistert.
In allen drei Erzählsituationen geht es um das Kohärenzgefühl oder den Kohärenzsinn. Damit sind ein Grundgefühl und zugleich auch eine Wahrnehmungsweise der Welt gemeint, dass wir das, was um uns herum geschieht, ausreichend verstehen und auch beeinflussen können. Wir sind nicht hilflos, sondern verfügen über innere und äußere Hilfsquellen – auch in Form der Unterstützung durch Angehörige, Freunde und Nachbarn –, mit denen wir Schwierigkeiten meistern können. Wesentlich am Kohärenzgefühl ist jedoch, dass wir unser Handeln nicht nur als zweckmäßig, sondern auch als sinnvoll empfinden.
In dem Modell der Salutogenese – wörtlich übersetzt: Gesundheitsentstehung – des amerikanisch-israelischen Gesundheitsforschers Aaron Antonovsky spielt das Kohärenzgefühl eine entscheidende Rolle. Es bestimmt, ob wir bei Belastung körperlich und seelisch gesund bleiben, beziehungsweise im Erkrankungsfall möglichst schnell wieder gesund werden oder nicht.
Anhand des Salutogenesemodells soll im Folgenden aufgezeigt werden, wie derjenige trotz Belastung gute Aussichten auf Gesundheit hat, der mit allen Sinnen spielen und diese leibhaftigen Spielerfahrungen dann auch zur Sprache bringen kann. Spiel und Dialog sind grundlegend für das Kohärenzgefühl und damit für die Gesundheit. Lebenslang – also auch für Erwachsene! ... " - Weiter Leseprobe (pdf) - Inhaltsverzeichnis (pdf)

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